James hat auch selbst die Hypnose praktiziert, er hat Patienten in Hypnose untersucht und behandelt (Darstellung in: 1896 b, 73 ff).
1889 nahm er am 1. Kongreß für experimentelle und therapeutische Hypnose in Paris (8.-12. August) teil, an dem auch Freud teilgenommen und auf dem der Streit zwischen Bernheim und Janet über die (generelle oder nur spezifische) Anwendbarkeit der Hypnose ausgetragen wurde. Ellenberger (1970, 360)
William James’ „Strom des Bewußtseins” behauptet, James habe großen Einfluß auf Janet ausgeübt. In den „Principles” zitiert er ausführlich die klinischen Berichte über Janets Untersuchungen mit „multiplen Persönlichkeiten”.
James interessieren dabei die Gemeinsamkeiten dieser pathologischen Phänomene mit den alltäglichen Erscheinungen — des Vergessens, der falschen Erinnerung, der Träume. In allen Fällen ginge es um „Erinnerung”. „The possession of the same memories” sei dasjenige, was die Einheit der Person erst herstelle.
„Wie sehr sich auch der Erwachsene vom Jugendlichen, der er einmal gewesen war, unterscheiden mag, beide können rückblickend die selbe Kindheit ihre eigene nennen” (1890, 352). „Es gibt keine andere Identität als die im ‚Strom’ des subjektiven Bewußtseins erlebbare . . . Die Gleichheit der einzelnen Momente im Kontinuum der Gefühle . . . konstituiert die wirkliche und als wirklich erfahrene„persönliche Identität’, die wir fühlen . . . Wenn die Verknüpfung an irgendeiner Stelle reißt, ist die erlebte Einheit verloren. Wenn jemand eines schönen Tages aufwacht, unfähig auch nur eines seiner früheren Erlebnisse zu erinnern, so daß er seine Biographie von vorne beginnen muß; oder wenn er nur die bloßen Fakten in kalter Abstraktheit erinnert, so als seien sie irgendwann einmal geschehen; oder wenn, ohne solchen Gedächtnisverlust, alle seine Angewohnheiten über Nacht von ihm abgefallen sind, so daß jedes Organ, jede Bewegung ihm fremd geworden sind ebenso wie sein Denken, dann fühlt er, er sei eine andere Person. Er verleugnet sein früheres Ich (me), gibt sich selbst einen neuen Namen, identifiziert sein gegenwärtiges Leben mit keinem Moment seines früheren. Solche Fälle sind keine Seltenheit im Bereich der Psychiatrie . . . ” (319).
Diese pathologischen Fälle zeigten für James nur zugespitzt die Möglichkeiten unseres Bewußtseins.
1896, in den „Lowell-Lectures” an „Exceptional Mental States”, dienen sie ihm, wie den französischen Psychiatern, als Beleg für die Existenz des Unbewußten. Jeder von uns habe zwei simultan operierende Systeme intelligenten Bewußtseins, eines oberhalb der Schwelle der „awareness” und eines unterhalb, mit separaten eigenen Charakteristika (1896 b).
Jedoch ist das „Unbewußte” nur ein, systematisch nicht weiter ausgebautes, Zwischenglied in der theoretischen Entwicklung James’. Ihm liegt die Vorstellung der Verbindung, des Zusammenhangs (des Bewußtseins) näher. In den „Varieties” bezieht er sich (wieder) ausdrücklich auf F. W. H. Myers’ Konzept des „subliminal consciousness” (1892), das er als „die — unterbewußte — Fortsetzung unseres bewußten Lebens” versteht, der „Hintergrund, gegen den sich unser bewußtes Wesen reliefartig abhebt” (467 1 ).
Im Unterschied zu Freud war für James das Unbewußte ein „persönliches Unbewußtes”, an die Erfahrung des Individuums gebunden, wenn auch diesem nicht mehr zugänglich. Unser normales Bewußtsein „ist lediglich ein kleiner Tropfen aus dem großen Ozean des möglichen menschlichen Bewußtseins, von dessen Grenzen wir keine Ahnung haben” (1898, 322). In den „alternate personalities” kommen Dimensionen jener weiteren Bereiche zum Ausdruck, die normalerweise dem Wachbewußtsein nicht zugänglich seien. Sie können diesen sogar überlegen sein. „In solchen Fällen, wo die sekundäre Persönlichkeit der primären überlegen ist, scheint es vernünftig anzunehmen, daß die primäre die kranke ist. Das Wort Hemmung (inhibition) bezeichnet ihre Dumpfheit und Melancholie . . . und die Veränderung (der Persönlichkeit, KJB) kann man als Aufhebung der Hemmungen betrachten, die sich seit Jahren erhalten haben” (1890, 363). „Wir alle kennen solche Hemmungen aus Zeiten, in denen wir über unsere geistigen Resourcen nicht verfügen” .
Hypnose sei ein Mittel, diese Bereiche der Erfahrung experimentell zugänglich zu machen, bzw. darzustellen, die normalerweise nur in Momenten der Inspiration und der Krise sich von selbst eröffnen. Darin lag zum großen Teil die Faszination der Hypnose auf die Zeitgenossen. Lears sieht hierin den Ausdruck für die „Suche nach dem authentischen Selbst” der Zeit, für die „Sehnsucht nach der Reintegration der Persönlichkeit”, den
William James’ „Strom des Bewußtseins” Versuch, dem Gefühl der Auflösung des Selbst entgegenzuarbeiten, dem Bewußtsein, daß Identität des Ich problematisch geworden war (117).