Das äußere Verhalten

Das äußere Verhalten ist wie die Spitze des Eisberges, nur der Teil der Strategie der ans Tageslicht kommt, das was andere Menschen auch bemerken. Hinter jedem Verhalten verstecken sich auch alle vorher behandelten inneren Reaktionen, die für die Mitmenschen kaum sichtbar sind. Alle Verhaltensformen sind kontrollierbar, d.h. wenn eine Verhaltensform mehrmals zum Erfolg geführt hat, wird sie vorzugsweise bei neuen Situationen angewandt, auch wenn eigentlich eine andere sinnvoller wäre. Im Laufe der Zeit wird die Verhaltensform zum festen Bestandteil der Lebensstrategie.

1. Der Konsum

Das wichtigste Verhalten ist das Konsumieren. Dieses Verhalten ist die Voraussetzung zum Überleben. Schon die erste Zelle konnte nur überleben, weil sie sich Bestandteile aus ihrer Umgebung einverleibte. Das Konsumieren beschränkt sich nicht nur auf Lebensmittel, sondern auch auf Gegenstände, Sexualität, Lebenserfahrungen, Menschen, Wissen usw. Das Konsumverhalten kann ausgeglichen oder extrem und einseitig sein. Manche Menschen konsumieren übermäßig, andere nur minimal oder gar nicht, wie im Falle von Anorexie.

2. Die Kommunikation

Da der Mensch ein soziales Wesen ist, spielt die Kommunikation eine wichtige Rolle in seinem Verhalten. Überall findet Kommunikation statt und jeder hat seine eigene Art, mit anderen zu kommunizieren. Auch hier gibt es verschiedene Abstufungen zwischen Extremen, wie der kompletten Kommunikationslosigkeit und der alles dominierenden Kommunikationsflut. Es gibt Menschen, die ein Gleichgewicht schaffen zwischen Kommunizieren und Zuhören, es gibt welche die nur zuhören und es gibt solche die nur reden.

3. Die Flucht

Das Verhalten der Flucht steht für die Fortbewegung von einem Ort zu einem anderen. Wollen wir etwas bekommen, sprechen wir eher von Anziehung als von Flucht, außer wenn wir von der „Flucht nach vorne“ sprechen. Bei Gefahr ist die Flucht die biologisch sinnvollste Reaktion. Sie verbraucht am wenigsten Energie und ist am sichersten. Jedes Lebewesen versucht deshalb zuerst, vor einer Gefahr zu fliehen, bevor es sich zur Verteidigung entscheidet. Die Flucht kann selbst gewählt werden, in Situationen, die einem unangenehm aber nicht lebensgefährlich sind. Zum Beispiel ist die frühzeitige, freundliche Verabschiedung bei einem gesellschaftlichen Ereignis eine verdeckte Flucht. Bei einer wirklich lebensbedrohlichen Gefahr wird die Flucht allerdings vom System aufgezwungen. Wenn keine wirkliche Flucht möglich ist, kann auch auf eine virtuelle Flucht zurückgegriffen werden. Dies geschieht, indem man zwar körperlich noch präsent ist, mit den Gedanken aber woanders, z.B. in Tagträumen.

4. Die Verteidigung

Ist die Flucht bei einer Gefahr unmöglich, versucht das Individuum, sich gegen die Bedrohung zu wehren oder sie aus dem Weg zu schaffen. Das kostet natürlich viel Energie und die Gefahr, dabei ums Leben zu kommen, ist viel größer als bei der Flucht. Die Verteidigung wird oft als Aggression ausgelegt, weil die Mitmenschen die Gefahr, die das System wahrgenommen hat, nicht erkennen und die dahinter verborgene Angst des Individuums nicht bemerken. Wie bei der Flucht kann man auch bei der Verteidigung verschiedene Abstufungen beobachten, die sich von der verbalen, selbst gewählten Verteidigung als Taktik bis zur aufgezwungenen, unausweichlichen Aggression in lebensbedrohenden Situationen erstrecken.

5. Die Inhibition der Handlung

Wenn keine der vorher aufgeführten Handlungen Erfolg hat, führt dies beim Individuum zur Handlungsunfähigkeit, zur Inhibition. Sein System ist überzeugt, dass es keine Lösungsmöglichkeit gibt und es gibt auf. In der Tierwelt können wir das als „sich tot stellen“ beobachten. Die meisten Raubtiere fangen nur lebende Tiere, die sich bewegen. Stellt ein Tier sich tot, wird es vom Raubtier nicht als Beute wahrgenommen. Dies rettet dem Beutetier dann das Leben. Beim Menschen sprechen wir von Inhibition. Dauert diese Situation länger an, sind auch Veränderungen am Körper zu beobachten, die man oft als Krankheit bezeichnet. Es ist der letzte Versuch des Systems, eine Lösung für das Problem zu finden, indem es Teile von sich selbst verändert. Lebensbedrohend wird das Verhalten der Inhibition, wenn das Individuum in der Inhibition verharrt, weil es überzeugt ist, dass es keine Lösung mehr gibt. Experimente bei Mäusen haben ergeben, dass wenn man durch Elektroschocks verhindert, dass die Maus sich an die Ausweglosigkeit erinnert, es auch nicht zu körperlichen Symptomen kommt. Wichtig ist also nicht, dass ein Mensch handelt, sondern dass er handelt, weil er überzeugt ist, dass diese Handlung auch Erfolg haben kann. Sonst gibt er nämlich die Suche nach einer Lösung auf, und das ist tödlich.

Zusammensetzung der Verhaltensbausteine

Bei der Zusammensetzung der Verhaltensbausteine sehen wir, dass die drei unteren Bausteine miteinander verbunden sind. Dies soll die natürliche Reihenfolge zeigen, in der die Verhaltensformen in der Natur ablaufen, wenn das Individuum einer Gefahr ausgesetzt ist: zuerst der Versuch zu flüchten, dann der Versuch sich gegen die Gefahr zu wehren oder sie aus dem Weg zu räumen und wenn dass alles nichts nützt, die Aufgabe der Handlung und das Warten auf bessere Zeiten. In der modernen Trauma Forschung (Peter Levin) wird davon ausgegangen, dass posttraumatische Symptome nur dann entstehen können, wenn die Handlung, die das Trauma hätte verhindern können, nicht ausgeführt wurde. Die Lösung wird „eingefroren“ (freeze), damit sie bei einer späteren Gelegenheit wieder „aufgetaut“ werden kann. Erst dann wäre die Information definitiv im System gelöscht. Das Verhalten eines Menschen ist das äußere Zeichen seiner Lebensstrategie. Es ist möglich, dass ein einzelner Mensch mehrere Lebensstrategien entwickelt hat, die er in verschiedenen Lebenssituationen einsetzt. Im Falle von schweren traumatischen Erlebnissen kann es sogar so weit kommen, dass die Lebensstrategien als eigenständige Persönlichkeiten verstanden und erlebt werden, mit eigenen, oft gegensätzlichen Körpermerkmalen und Symptomen.

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