Bevor du dich in die Arbeit der Regression wagst, solltest du den Unterschied zwischen Leiten und Führen verstehen. Diejenigen, die es wagen, eine Regression ohne dieses wichtige Verständnis zu bewirken, könnten sich am falschen Ende eines Rechtsstreits wiederfinden, und zwar wegen eines lästigen Problems, das als “Syndrom der falschen Erinnerung” bekannt ist oder auch noch Erinnerungsverfälschung, was unabsichtliches Verfälschen bestehender eigener Gedächtnisinhalte bedeutet.
Sie wird unterschieden von falscher Erinnerung, der fantasierenden Einbildung neuer eigener Gedächtnisinhalte. Beide Vorgänge sind Selbsttäuschungen und unterscheiden sich von der bewussten Falschaussage (Lüge) dadurch, dass die sich erinnernde Person selbst ihre Aussage für richtig hält.
Erinnerungsverfälschung ist seit über 100 Jahren Gegenstand psychologischer und in neuerer Zeit zunehmend auch neurophysiologischer Forschung. Erinnerungsverfälschungen haben große Bedeutung in der Psychiatrie und vor Gericht, wo Aussagen auf Erinnerungsverfälschung oder falsche Erinnerung überprüft werden.
Die Bezeichnungen „Erinnerungsverfälschung“ und „Erinnerungsfälschung“ wurden 1886 von Emil Kraepelin in seinem Artikel „Über Erinnerungsfälschungen“erstmals eingeführt und definiert. Diesen Artikel ergänzte er 1887 durch zwei gleichnamige Artikel, in denen er die neuen Begriffe durch Fallbeispiele verdeutlichte. Im Artikel von 1886 schrieb Kraepelin, er wolle neben bereits bekannten Begriffen zur quantitativen Unterscheidung der „Störungen des Gedächtnisses“, wie allgemeine Amnesie, partielle Amnesie und Hypermnesie, Begriffe zur qualitativen Unterscheidung einführen. Analog zur Unterscheidung zwischen Illusion und Halluzination wolle er deshalb zwischen Erinnerungsverfälschung und Erinnerungsfälschung unterscheiden.
Da Wahrnehmung und Erinnerung neuronale Verarbeitungsprozesse sind, können dabei manchmal Fehler auftreten. Während Wahrnehmungstäuschungen bereits seit längerem untersucht und erforscht wurden, war dies bei Erinnerungstäuschungen erst seit den 1960er Jahren in vergleichbarer Form der Fall. Seitdem ist es in Experimenten gelungen, durch unterschiedliche Verfahren die Erinnerungen von Probanden in Bezug auf schwerwiegende Einzelheiten zu verzerren oder gar Pseudoerinnerungen an neue Ereignisse ins Gedächtnis einzupflanzen.
Erinnerungsfälschungen können als Folge einer Suggestion oder einer Hypnose wie auch spontan (ohne äußere Beeinflussung) unter Stress oder bei Erschöpfungszuständen auftreten. Der Begriff ist damit methodisch abgrenzbar gegen pathologische Wahnvorstellungen, wie sie als Symptom einiger psychischer Störungen auftreten können. Wesentlich ist, dass die gedankliche und gefühlsmäßige Reproduktion des Gedächtnisinhaltes als Abbild eines vergangenen, wachbewussten Geschehens erlebt wird – anders als bei einer Erinnerung an einen Traum, eine Vision oder eine aktive Imagination: Dort ist dem Erinnernden bewusst, dass seiner Erinnerung keine solche äußere Realität entspricht. Auch im Fall einer lückenhaften, vagen Erinnerung ist sich der Erinnernde dieser Unvollständigkeit und Unvollkommenheit bewusst.
Durch Suggestion eingeredete, falsche Ereignisse nehmen an Plausibilität zu, je häufiger sie erwähnt werden, je konsistenter sie sind und je öfter die Person sich die Situation bildlich vorstellt. Die daraus resultierenden Erinnerungen sind oft sehr detailreich, emotional und für die Person sehr glaubwürdig.
Eine Studie zeigte, dass Suggestion vor allem bei emotionalen Inhalten sehr erfolgreich ist. So glaubten 100 Erwachsene aufgrund ihrer lebendigen und emotionalen Erinnerungen, sie seien in ihrer Kindheit sexuell misshandelt worden. Es stellte sich heraus, dass diese Erinnerungen durch die suggestiven Techniken ihrer Therapeuten erzeugt wurden und durch die wiederkehrende Wiederholung und Auseinandersetzung mit diesen „Erinnerungen“ immer mehr an Details und Glaubwürdigkeit gewannen und sich verfestigten.
Menschen schenken emotionalen Stimuli mehr Beachtung als neutralen. Durch Stresshormone werden die Erinnerungen an diese Stimuli gefestigt. Da emotionale Erinnerungen öfter abgerufen und überdacht werden, werden sie zusätzlich verstärkt. Dies geschieht aber nicht nur bei tatsächlichen Erinnerungen, sondern auch bei Erinnerungsverfälschungen. Falsche Erinnerungen treten im emotionalen Kontext leicht auf. Dabei ist es egal, ob die jeweilige Situation starke negative oder positive Gefühle hervorruft. Negative Emotion führt dazu, dass sich die Person auf das Zentrum des Geschehens konzentriert und die Peripherie anfällig für Erinnerungsfehler wird. Bei einem Überfall liegt der Fokus beispielsweise auf dem, was am negativsten und lebensgefährlichsten gilt: der Waffe. Dabei entgehen der Person wichtige Informationen bezüglich des Täters (bspw. markante Gesichtszüge, Stimme, Kleidung) und des Settings. Im Englischen wird dieses Phänomen auch als tunnel memory bezeichnet. Ruft eine Situation im Gegensatz dazu positive Emotionen hervor, besteht kein Grund zur Fokussierung. Die Person weitet ihren Aufmerksamkeitsbereich, um möglichst viel in sich aufzunehmen und neue Möglichkeiten zu entdecken. Da diese Erinnerungen durch die Weite der Aufmerksamkeit nicht sehr detailreich sind, sind sie generell anfällig für Verfälschungen.
Die Vorstellung, traumatische Erinnerungen könnten unterdrückt werden und später, beispielsweise im Rahmen einer Psychotherapie wieder ins Bewusstsein rücken, ist sowohl in der Allgemeinbevölkerung, wie auch unter Therapeuten weit verbreitet. Zwar steht die Existenz unterdrückter Traumata außer Frage, die Häufigkeit ihres Auftretens ist jedoch Gegenstand aktueller Diskussionen. Häufig ist nicht zu entscheiden, ob eine Erinnerung tatsächlich unterdrückt und später wiedergewonnen wurde, oder zu einem späteren Zeitpunkt entstanden ist, ob es sich also um eine falsche Erinnerung handelt.
Damit eine Erinnerung einwandfrei als „zurückgewonnen“ klassifiziert werden kann, muss erstens festgestellt werden, dass das jeweilige Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, zweitens, dass es vergessen wurde und es für die Person nicht möglich war, sich daran zu erinnern und drittens, dass sich später wieder daran erinnert wurde.
Loftus und Davis konnten Studien, welche die These von zurückgewonnenen Erinnerungen unterstützten, große methodische Mängel nachweisen. Beispielsweise wurde nicht geprüft, ob ein erinnertes Erlebnis tatsächlich passiert ist oder nicht. Eine andere Studie interpretierte die Tatsache, dass Frauen, die einen objektiv stattgefundenen Missbrauch erlebt hatten, in einem Interview siebzehn Jahre später diesen Missbrauch nicht erwähnten, als Unterdrückung der Erinnerung. Allerdings mag es auch andere Gründe geben, in einem Interview einen Missbrauch nicht zu berichten, wie Scham oder eine fehlende Beziehung zum Versuchsleiter. Es fanden sich wenig Hinweise darauf, dass traumatische Erlebnisse gewöhnlicherweise verdrängt und vergessen werden und später wieder erinnert werden können. Obgleich es zahlreiche Berichte von Personen gibt, die sich an teils massiven Missbrauch erinnern, wirft dies die Frage auf, inwieweit diese Ereignisse stattgefunden haben oder falsche Erinnerungen sind und, sollte dies der Fall sein, wie diese falschen Erinnerungen entstehen können.
Beispiele erinnerungsverfälschender Effekte in Psychotherapien:
Der beste Weg, um eine unangemessene Gesprächsführung zu vermeiden, ist, bei den W-Fragen zu bleiben: wer, was, wann, wo, warum und wie. Wenn wir Fragen stellen, die mit einer Ja- oder Nein-Antwort beantwortet werden können, wie wir es bei der ideomotorischen Fingersignalisierung tun, müssen wir besonders vorsichtig sein, um keine erzwungenen Entscheidungen zu führen.
Wenn du die Regression einsetzt, um die Kernursache eines Problems zu entdecken, ist es äußerst wichtig, dass sowohl du als auch der Klient alle vorgefassten Meinungen über die Ursache des Problems beiseite lassen und stattdessen dem Unterbewusstsein des Klienten erlauben, dorthin zu gehen, wo es hingehen soll.
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